Hans Müller von Bulgenbach

Hans Müller von Bulgenbach war Oberster Feldhauptmann der aufständischen Schwarzwälder Haufens im Bauernkrieg von 1524/25. Der legendäre Bauernführer setzte sich für die überregionale Zusammenarbeit der Bauernhaufen ein und gilt heute als treibende Kraft der Bewegung im Südwesten.

Colorierter Kupferstich von Caracciolo, um 1650

Vor seinem Auftreten im Bauernkrieg 1524 ist Hans Müller von Bulgenbach bis heute geschichtlich schwer greifbar. Geboren sein dürfte er wohl als Bauerssohn zwischen 1485-95 im kleinen Örtchen Bulgenbach, das heute zur Gemeinde Grafenhausen im Südschwarzwald gehört. Von 1509-12 wird darüber hinaus ein Hans Müller mit seinen Abgaben in einem Zinsrodel des Frauenklosters Berau sowie ein Zinspflichtiger im nahegelegenen Brenden erwähnt.

Andreas Lettsch, der damals Notar des Klosters St. Blasien war und Müller wohl aus persönlicher Bekanntschaft kannte, berichtet, Hans Müller habe in seinen jungen Jahren als Landsknecht in Frankreich gedient und gekämpft. Aufgrund seines späteren militärischen Führungsstils im Bauernkrieg kann davon ausgegangen werden, dass er während dieser Zeit nicht nur Erfahrung als einfacher Knecht gesammelt haben muss, sondern bereits ein Amt wie das eines Feldwaibels bekleidet haben dürfte.

Müllerhof, 21.08.1911
Postkarte von Bulgenbach (Müllerhof unten links), 1899

Unerwartete Entdeckungen

Das 1428 erbaute historische Wohnhaus von Hans Müller in Bulgenbach stand noch bis ins Jahr 1911, als am 22. August ein Blitzschlag das Strohdach des Wohn- und Ökonomiegebäude des Bauers Karl Morath traf und es vollständig niederbrennen ließ. Nebenstehendes Bild wurde zufälligerweise einen Tag vor dem Brand aufgenommen und ist die einzig bekannte fotografische Aufnahme des Gebäudes. Durch den Brand wurden einige Gegenstände aus der Zeit des Bauernkrieges vernichtet und das Kurzschwert, das Hans Müller gehört haben soll, schwer beschädigt. Nach gründlicher Restaurierung befindet es sich heute im Archiv der Gemeinde Grafenhausen.

Des Weiteren brachte die Räumung des Schuttes in den 20er Jahren ein zweites Schwert ans Tageslicht. Die leicht gekrümmte Waffe war sorgfältig unter dem Kehlgebälk in Tücher gewickelt und weist Markierungen von zwei Halbmonden und vier Sternen auf. Auch dieses Stück soll Hans Müller von Bulgenbach gehört haben und womöglich durch seinen Kriegsdienst aus östlichen Ländern in den Schwarzwald gekommen sein. Es befindet sich heute in Privatbesitz.

Seit Juni 1524 wurde es unruhig im Klettgau: Mit dem sogenannten Schneckenstreit erhoben sich die Bauern der Grafschaft Stühlingen und richteten ihre Klagen gegen die Obrigkeit. Bereits im August 1524 wurde Hans Müller in diesem beginnenden Aufstand von den Stühlingern zu ihrem Hauptmann gewählt. Mit Sicherheit spielte seine Kriegserfahrung dabei eine nicht unerhebliche Rolle und so warf er bei Bonndorf ein Fähnlein auf, bildete die Bauern zu Kämpfern aus und stattete damit die unorganisierte Revolte mit einer kampfbereiten Streitkraft aus. 

Balthasar Hubmaier

Neben dem Ausbau einer straffen militärischen Organisation begann er bald auch diplomatisch tätig zu werden und bemühte sich Verbündete für die Sache der Bauern zu gewinnen. Vor allem aus diesem Streben rührte neben der Einnahme mehrerer Burgen und Klöster der Region der Marsch nach Waldshut und der feierliche Einzug der Bauern zur Waldshuter Chilbi 1524, aber auch der Zug auf der Baar nördlich der Wutach und Mahnschreiben in das Klettgau. Gerade Waldshut unter dem Täuferpfarrer Balthasar Hubmaier, der wohl guter Bekannter von Hans Müller gewesen sein dürfte, wurde zur Hochburg und Quartier der Bauern am Hochrhein. Im Oktober erfolgte schließlich ein Schiedsgerichtsverfahren mit der Obrigkeit, bei dem man die Sache der Bauern neu diskutieren wollte, und damit verbunden ein mehrwöchiges Stillhalteabkommen. Während dieser Zeit richtete Müller sein Engagement vermehrt in Richtung der villinger Untertänigen im Brigachtal, dem Neuen Haufen, und tat sich dort mit ihrem Anführer Oswald Meder zusammen. Gegen Ende des Jahres 1524 war er so vor allem dort mit der Organisation und Ausbildung der Bauern beteiligt. 

Aufrührer zu Gast

Bis heute erzählt man sich von einer ungewöhlichen Bekanntschaft. In den frühen Jahren des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Bauernaufstände der Bundschuhbewegung, soll ein Verfolgter an den Hof gekommen sein, in dem Hans Müller in Bulgenbach lebte. Sein Vater gewährte dem Mann auf der Flucht für einige Tage Schutz in seinem Zuhause, bevor dieser wieder weiterzog. Doch bald darauf kamen Knechte, die den Verfolgten suchten und so stießen sie schließlich auf den alten Bulgenbacher. Dieser weigerte sich jedoch den Freiheitskämpfer zu verraten, war er doch selbst ein geschundener Bauer. Als Strafe hierfür blendete man ihn mit einem glühenden Eisen. Jahre später im Bauernkrieg soll sich Hans Müller für das Unrecht gerächt haben, dass seinem Vater angetan wurde. So steckte er die Burg des dafür verantwortlichen Ritters Udo von Wiesneck im Höllental an und tötete ihn mit seinen eigenen Händen.

Seinen Drang nach Gerechtigkeit und den Kampf für die Sache der Bauern soll Müller von diesem speziellen Besucher erlangt haben, welcher niemand Geringeres gewesen sein soll als der Anführer der Bundschuhbewegung, Joß Fritz.

Joß Fritz nach Albrecht Dürer

Ob diese Sage so wirklich passiert ist? Möglich. Mit Gewissheit wird sich dies jedoch nie sagen lassen. Ein letztes Mal wird Joß Fritz nach langer Zeit der Abgeschiedenheit nochmals 1524/25 erwähnt, bevor sich seine Spuren endgültig verlieren…

Schnell machte sich Hans Müller einen Namen unter den Bauern. Als einer von wenigen Bauernhauptmännern erkannte er schon früh die Notwendigkeit einer großflächigen Vernetzung und Zusammenarbeit unter den bäurischen Haufen und bewies darüber hinaus Weitblick durch die Förderung der relativ neumodischen Artillerie in den Reihen der Aufständischen. Seine Art, seine vielfältigen Kenntnisse und sein unermüdliches Engagement für die Sache machten ihn bald zu einem angesehenen Mann. War er 1524 noch Hauptmann lediglich der Stühlinger, so konnte er sich zu Beginn des Jahres 1525 zu Recht „Oberster Hauptmann auf dem Schwarzwald“ nennen. Auch eine Beteiligung am Artikelbrief, den die Bauern im Herrschaftsgebiet der Villinger verfassten und damit die Stadt Villingen zum Eintritt in ihr Bündnis zwingen wollten, wird ihm zugeschrieben. Da Müller jedoch bald als Kopf und Seele des bäurischen Widerstandes im Schwarzwald galt, war er der gegnerischen Obrigkeit schnell ein Dorn im Auge geworden. So befahl Erzherzog Ferdinand von Österreich am 13.01.1525, man solle nach ihm fahnden und ihn „ohne großes Aufsehen und im geheimen“ niederwerfen.

Hans Müller von Bulgenbach mit seinen Trabanten, aus Wilhelm Zimmermann "Der große deutsche Bauernkrieg" (1845)

Als schließlich aus Oberschwaben neue Ideen, neue Ansichten und hiermit die Zwölf Artikel in den Südwesten kamen, griff er diese zielsicher auf und gab der Rebellion der Schwarzwälder zusätzlich ein geistiges, revolutionäres Profil. In der Folge wurden auch hier die Zwölf Artikel der Memminger zum allgemeinen Programm des Aufstandes. Die Wiederherstellung des „alten Rechtes“, gelehrt und befeuert durch die Reformation Luthers war Kernpunkt der Klagen. Die Bedeutung dessen wird deutlich, beachte man, das Hans Müller während dem Höhepunkt seiner Feldzüge offizielle Schreiben mit einem dreifachen „Evangelium, Evangelium, Evangelium“ unterschrieb.

Im Februar 1525 schloss sich Müller mit seinen Truppen dem vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg an, obgleich er sich bereits Jahre zuvor durch die blutige Niederschlagung des „Armen Konrads“ einen unguten Namen unter den Bauern machte, in der Hoffnung, von dessen Bestrebungen zur Wiedergewinnung seines Standes profitieren zu können. Aufgrund ausbleibender Soldzahlungen verließen sie diesen jedoch bald wieder und Müller richtete sich erneut in den Hochschwarzwald, in die Gegend um Bonndorf und Löffingen. Mit dem Hegauer Haufen zog er anschließend vor Radolfzell und folgte eine Weile dem Heer des Schwäbischen Bundes. Dann machte er jedoch kehrt und durchquerte in einem zehntägigen Marsch mit seinem Gefolge den Schwarzwald „als ob er König oder Kaiser wäre“. Vor Freiburg angekommen begann die dreitägige Belagerung der Stadt mit den dortigen Haufen. Am 24.05.1525 kapitulierte die Stadt schließlich vor den Bauern und schloss sich ihnen vertraglich an. Die Belagerung forderte wohl keine Opfer. Mit einem kühnen Handstreich soll der Bulgenbacher den Schlossberg genommen und von dort aus auf die Tore des Rathauses der Stadt geschossen haben, was Stadt schließlich in die Knie zwang. Nachdem Freiburg in die Hände der Bauern gefallen war, galt deren Aufmerksamkeit erneut Radolfzell, wo sie den Hegauer Haufen bei der Belagerung der Stadt an Land und über den Seeweg unterstützten.

Noch bis zur erfolgreichen Einnahme der Stadt Freiburg im Mai 1525 schien die Sache der Bauern siegesversprechend. Doch nach zahlreichen Rückschlägen der Bauern im ganzen süddeutschen Raum – allen voran die Aktionen im Nachgang der Weinsberger Bluttat, die Niederlage bei der Schlacht bei Frankenhausen und bei Laupheim sowie das Brechen des Weingartener Vertrages durch den Schwäbischen Bund – kam das bäurische Heer nach und nach in Bedrängnis. Das blieb auch Hans Müller nicht verborgen. Ab Juni 1524, knapp ein Jahr nach seiner Wahl zum Hauptmann, machte sich der Unmut auch in den Reihen der Schwarzwälder breit und der Krieg neigte sich seinem blutigen Ende entgegen. Die Stadt Villingen verteidigte sich erfolgreich gegen Hans Müllers Bauernhaufen und bei der Belagerung Radolzells ließ ihn die Stadt Freiburg durch ausbleibende Unterstützung im Stich. Folge hiervon waren mehrere Schlachten, zuletzt bei Hilzingen, mit etlichen Toten, vernichtete Dörfer und die Unterwerfung des Hegaus durch ein österreichische Entsatzheer. Bei den Schwarzwäldern galt Müller mittlerweile als nicht radikal und kampfeswillig genug, hielt er auch noch immer an diplomatischen Gesprächen und Unterstützung durch Verbündete fest. Als auch Hilfegesuche an die eidgenössischen Schweizer ausblieben und sich die Lage im Bauernheer intern gefährlich anspannte blieb Müller nichts anderes übrig, als sich zurück zu ziehen. Die Stühlinger und Fürstenberger im Hegau mussten sich nun – ohne militärischen Anführer und ohnehin in auswegloser Situation – ergeben.

Ende einer Revolution

Beschießung von Freiburg durch die Bauern, aus Wilhelm Zimmermann "Der große deutsche Bauernkrieg" (1845)

Müller verbarg sich zunächst auf dem Hohentwiel, schlug sich dann aber durch und wurde auf der Flucht bei Schaffhausen aufgegriffen und befragt, bald darauf jedoch wieder freigelassen. Es gelang ihm noch einmal, sich in Schopfheim mit den Markgräflern und Breisgauern zu beraten – erfolglos. Am 14.07.1525 fiel Müller auf dem Rückweg in den Klettgau schließlich in die Hände des Ulrich von Habsberg, Vogt von Laufenburg und Hauptmann der vier Waldstädte am Rhein. Nach 40 Tagen Kerkerhaft und Folter wurde er schließlich am 17.08.1525 – nach Baseler Quelle – von einem schaffhauser Scharfrichter stehend mit dem Schwerte enthauptet. Wieso stehend? Man sagt sich, Müller habe sich bis zuletzt geweigert, vor der Obrigkeit auf die Knie zu gehen.

Den Niedergang seiner Schwarzwälder und das Ende des Krieges erlebte er nicht mehr: Am 04.11.1525 wurden die letzten von ihnen bei Grießen im Klettgau vernichtend geschlagen. Die Revolution war vorüber und die Bauern mussten ihrem Landgrafen Abbitte leisten.

Die geschichtliche Nachbetrachtung würdigt Müllers Tun erst recht spät. Nach dem verlorenen Krieg und der damit verbundenen Vergeltung durch die herrschende Obrigkeit waren die freiheitlichen Bestrebungen vorerst vorbei. Es war nicht im Sinne der Sieger dieses Kampfes die Aufrührer zu heroisieren und so geriet deren Vermächtnis über lange Zeit in Vergessen. Zeitgenossen schrieben sogar, er sei ein „verräterischer“ und „böser aufrührerischer Bube“ gewesen, der „viel Übel gestiftet“ hat. Erst einige Jahrhunderte später, mit dem Aufkommen von neuem liberalen Gedankengut zur Zeit der modernen Revolutionen Europas setzte man sich wieder vermehrt mit dem Bauernkrieg auseinander und arbeitete die Geschichte auf.

Plünderung des Klosters St. Blasien, aus Wilhelm Zimmermann "Der große deutsche Bauernkrieg" (1845)

Heute kann man zu Recht sagen, dass Müller sich durch festen Willen, weitrechende Fachkenntnisse in der Kriegsführung, Organisationstalent und unermüdlichen Einsatz für die Sache der Bauern auszeichnete. Er wird in der jüngeren Geschichtsbetrachtung sogar als „die eigentliche Triebkraft der Bewegung“ im Schwarzwald angesehen. Ihm sei es maßgeblich zu verdanken, dass sich die lokale Revolte der Stühlinger zu einem überregionalen Konflikt entwickelte. Doch zeigte sich, dass er vertragliche Bindungen über- sowie das taktische Kalkül der gegnerischen Kräfte unterschätzte. Besonders der Fall von Freiburg, das ihn gegen Ende des Kriegsendes seinem Schicksal überließ und sich nicht an ihre vertraglichen Pflichten hielt, wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Andreas Lettsch, der Notar des Klosters St. Blasien zur Zeit des Krieges charakterisiert den Bauernführer überraschend neutral: „Er war vornehm, ganz wohlbered und fürwitzig und keiner konnte reden wie er. Er war in rechter Manneslänge und alle waren ehrfürchtig vor ihm“. Stets schmückte er sich mit rotem Mantel und Barett als Zeichen seiner Würde. Dennoch ließ sich selbst bei ihm zum Ende des Bauernkrieges eine gewisse Ernüchterung und Resignation erkennen. Besonders nach den wiederholt gescheiterten Bemühungen zur Verständigung mit der Obrigkeit. So gab er wohl die bäurische Sache bereits vor seinem Verlassen des Hegaus auf. Nach all den auf sich genommenen Strapazen, den immer öfter auftretenden Niederlagen der Bauern an allen Fronten und Unruhen in den eigenen Reihen sei ihm dies jedoch wohl zu verzeihen.

Historiker Prof. Dr. Buszello bezeichnete Hans Müller als einen der „Großen Deutschen“ der Geschichte und verglich ihn mit Napoleon.

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